Der Mythos soll wieder leben …
Bericht von der Alpenfahrt Classic Rallye 2002 in Kärnten 18. – 21. September
Es gibt jung gebliebene Idealisten mit Weitblick und Beziehungen, und es gibt Interessierte mit Verständnis für die Geschichte(n) und sportliche Vergangenheit. Wenn diese Idealisten und Interessierten zusammentreffen entstehen oft – aber nicht immer – interessante Veranstaltungen. Den Idealisten um Wolfgang Inhester und Peter Urbanek ist es gelungen die Gemeinde Bad Kleinkirchheim, das Land Kärnten und eine Reihe potenter Sponsoren wie swarco, Zenith, Casino Velden und auch Lancia (blass wie immer) zu motivieren, die Idee der Wiederbelebung der Österreichischen Alpenfahrt maßgeblich zu unterstützen. Nach guter journalistischer Vorarbeit, einem sehr gut gestaltetem Internetauftritt – www.alpenfahrt.com – trafen sich ca. 80 Interessierte aus Deutschland, Luxemburg und Österreich am 18. September 2002 in Bad Kleinkirchheim zur Alpenfahrt Classic Rallye. Mit beiderseitigem vorsichtigem Optimismus begrüßte man sich – die Veranstalter fragten sich, ob Konzept und Organisation den kritischen Augen der Teilnehmer gefallen würde, und die Teilnehmer fragten sich, ob die nahezu unbeschriebenen „Blätter“ der Organisation eine ordentliche Veranstaltung zusammenbringen würden.
Das Ergebnis sei vorweggenommen: es war eine professionell konzipierte, organisierte und betreute Veranstaltung. Die mehrmals angesprochene Rivalität zur Ennstal Classic könnte zum Nutzen des Oldtimersports zum positiven Wettbewerb werden – Kärnten mit allen landschaftlichen Möglichkeiten, Bad Kleinkirchheim mit vorhandener professioneller Infrastruktur und die unüberbietbare Geschichte der Alpenfahrt sollten neben dem Enthusiasmus der Organisatoren eine solide Basis für das erfolgreiche Weiterleben des 2002 erstmals zitierten Mythos sein.
Lancia-Guru Helmut Neverla fragte mich im Juni 2002, ob ich als Beifahrer mit ihm an dieser neuen Veranstaltung teilnehmen wolle: Alte Straßen der Alpenfahrt, eigene Wertung für Teilnehmer der Alpenfahrt (Champions) und umfangreiches Rahmenprogramm. Ich sagte gerne zu, weil auch ich in den 60er-Jahren dreimal an der Alpenfahrt teilgenommen hatte und die Erinnerung daran noch recht deutlich war. Als Fahrzeug stand Helmut Neverlas Fulvia 1,6 HF Baujahr 1969 fest, auch eine Teamnennung mit Werner Fessl auf Fiat Abarth 124 Rally und Michael Weidenauer auf Mercedes 220 S mit Unterstützung von Castrol wurde abgegeben. Bei der Abnahme in Kleinkirchheim fanden sich am 18. September die Teilnehmer (nur zwei Lancia Fulvia!) bei strahlendem Spätsommerwetter ein und fanden eine nahezu optimale Organisation vor, die alles kompetent vorbereitet hatte und auch alle Fragen freundlich beantwortete. Eingebettet in ein Rahmenprogramm mit Begrüßungsabend, bei dem sich die Kärntner Sportprominenz die Ehre gab, bis zur Preisverteilung auf der Kaiserburg oberhalb Kleinkirchheim wurde eine interessante Classic Rallye abgewickelt, die sportliche Prüfungen, begeisterte Zuschauer in nahezu allen Etappenorten und die schönsten Straßen Kärntens bot.
Turrach, Bundschuh/Innerkrems, Nockalm, Radstädter Tauern, Großglockner, Hauptplatz Villach, Casino Velden, Plöckenpaß, Zell Pfarre und der Klopeiner See waren die Schauplätze der Sonderprüfungen, bei denen um 1/100-Sekunden gerungen wurde. Das Wetter spielte leider nicht immer mit, vom strahlenden Sonnenschein auf der Nockalm bis zum dichten Nebel am Glockner wurde alles geboten. Nach Prolog (2 SPs), Alpenrunde (4 SPs) und Seenrunde (4 SPs) über fast 1.000 km wurden die Differenzen zusammengezählt und die Sieger Gesamt, Klassen, Championswertung, Teamwertung und sponsorprämierte SPs ermittelt und geehrt. Auf der Kaiserburg moderierte Heinz Prüller die Preisverleihung, Kärntner Sportprominenz überreichte die ausnahmsweise geschmackvollen Trophäen an die stolzen Sieger und Plazierten. „Natürlich“ wurden die Brüder Schraml auf Ferrari wieder Gesamtsieger und auf den ersten Plätzen sah man die bekannten Gesichter der österreichischen Szene (Panis, Dr. Brandstetter, Brachinger), doch die Transparenz und Schnelligkeit der Ergebnisdarstellung ließen alle Zweifel verstummen. Der Sport ist professionell geworden: bei insgesamt 10 SPs mit ca. 15 Zeitnahmen fuhren Schraml/Schraml 6,33 Sekunden Differenz ein, die ersten vier Teams lagen unter 4 Sekunden auseinander! Elektronik wurde durch das Reglement untersagt, mechanische Wegzähler, digitale Uhren und Schnitttabellen sind die Grundlagen – Harmonie, Routine und ein ruhiger Gasfuß sind die nicht messbaren Erfolgsfaktoren.
Die erfolgsverwöhnte Marke Lancia wurde durch Neverla/Marquart würdig verteten: 8. im Gesamtklassement, 2. in der Klasse bis Baujahr 1970, Mitglied des zweitplazierten Castrol-Teams, 3. der Championswertung und ein Sieg in einer Sponsor-SP. Mit pokal-vollen Händen konnten wir zufrieden die Heimreise antreten. Dieser Erfolg war jedoch nur das Sahnehäubchen auf dem Erlebnis, an einer ausgezeichneten Veranstaltung teilgenommen zu haben, die nun alle Chancen hat, den Mythos Österreichische Alpenfahrt wirklich wieder aufleben zu lassen.
E. Marquart/9.2002