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wenigstens virtuell. Ich warne Sie gleich zu Beginn, dass diese Sommergeschichte etwas eigenartig werden wird. Kein Blick in (meine) wenig erfolgreiche Motorsport-vergangenheit, sondern auf die wenig erfolgreichen Versuche in der virtuellen Motorsportwelt.
Meine Frau und ich sind stolze Großeltern von zwei jungen Herren, der ältere hatte 2022 Firmung. Die Großeltern meinten naiv, dass sich Firmlinge 2022 goldene Uhren wünschen. Weit gefehlt, Kopfschütteln, Unverständnis mit den Altvorderen – ein Gaming PC sollte das Firmgeschenk werden! Nach eher längeren Debatten im Familienkreis setzte der 14-Jährige seinen Wunsch durch, ein entsprechendes Gerät wurde selbst konfiguriert, im Internet bestellt, selbst zusammen-gebaut, das „Ergebnis“ wurde von einem Fachmann geprüft und erfolgreich in Betrieb genommen.
Der Großvater kann zwar mit den vom Enkel bevorzugten Spielen nichts anfangen, fragte vorsichtig den Enkel nach Rallye/Renn-Simulationsprogrammen, welche für diese Geräte ausgelegt sind. Gibt es, die Auswahl wurde wieder im Internet getroffen. Die Kosten für das Programm „DIRTRALLY 2.0“ waren überschaubar, die zusätzlich notwendigen „Geräte“ für die sinnvolle Bedienung (Lenkrad mit 1.000 Knöpfen und Pedalerie inklusive Kupplung) schon etwas kostspieliger. Die 230 GB (!!) aus dem Netz installiert, die Peripherie angeschlossen, konnte der Spaß losgehen.
Der heute 15-Jährige hat keine Beziehung zu Autos, hinten oder danebensitzen sind mühsam genug, der am Horizont erscheinende Führerschein ist kein Thema, die Transportmittel sind in Familie und Stadt Wien vorhanden. Die Verrücktheit des Großvaters wird mit Unterstützung der Eltern tunlichst ignoriert. Die verregneten Sommerferien 2023 wurden teilweise bei den Großeltern vor dem PC verbracht, die üblichen Spiele mit vollem Einsatz gespielt. Bis Opa vorsichtig fragte, darf ich mal das Simulationsprogramm ausprobieren? Klar, Programm aufgerufen, die 10.000 Möglichkeiten der Einstellung ignoriert – jö, schau, da gibt eine Fulvia – klick und losgefahren, dass dem Großvater im Hintergrund die Sprache wegblieb.
- Hauptmenü: Auswahl der Anforderungen – Historisch – Benutzerdefiniert – Zeitfahren – Rallycross – Freies Fahren – Racenet Clubs.
- Fahrzeug wählen: Mini – Citroen DS – Fulvia 1,3 – Golf GTI 2 – Peugeot 205 – Escort Mk 2 – Alpine – Fiat 131 – Opel Kadett GTE usw.
Keinerlei praktische Erfahrung mit Autofahren, keine Go-Kart-Erlebnisse – Kupplung, Bremse, Schalten usw. und gefühlvolles Lenken unbekannt – ganz rechts ist das Gaspedal, auf geht’s! Unter den verschiedenen Streckenmöglichkeiten eine Schotterprüfung bergab in Spanien gewählt, Kopfhörer auf und losgefahren. Die virtuelle Welt kennt keine Ängste, mechanische Kaltverformungen, Hindernisse, die in der realen Welt den Mut vernünftigerweise einschränken – bis das Programm nach drei Überschlägen und Felsenberührungen links und rechts „Totalschaden“ meldet und die Rauchwolken aufsteigen. „Zurück an den Start“! Und die Fulvia steht wie neu an der Startlinie!
Dann darf sich der Opa hinter’s Lenkrad setzen und losfahren. Feig, wie die Alten oft sind, will er erst einmal das Fahrverhalten kennenlernen, bevor sich auf eine Sonderprüfung wagt. Und nun schlägt die Elektronik unerbittlich zu: in 10.000 und einem Einstellungsmenü kann und muss ausgewählt, was man wie bewegen will. Ich wusste nicht, was man bei einer Fulvia 1,3 HF alles „verstellen“ kann, fuhr mit der Standard-Einstellung los und erschrak. Die virtuelle Welt fühlt sich ganz anders an: Kopfhörer mit Geräuschen (Motor, Straße), Lenkrad mit Rückmeldung bei groben Unebenheiten, Schaltung mit Paddel (kenne ich glücklicherweise von meinem Touran), Drehzahl hoch beim Springen – überraschend realistisch. Nur mit dem Bremsen hatte und habe ich meine großen Schwierigkeiten: die Wahrnehmung der Fahrgeschwindigkeit und Wirkungsweise der Bremsen sind ganz anders als in der realen Welt. Da muss ich noch in die Einstellungsmenüs einsteigen, die fahrzeug-, strecken- und wetterabhängig Anpassungen erlauben. Leider kann ich die Helden der Fulvia-Sportgeschichte nicht mehr fragen, wobei ich sicher bin, dass die Fulvia in der realen Welt nicht alle diese Einstellmöglichkeiten bot.
Ein weitergehendes Urteil werde ich allerdings erst abgeben können, wenn der Herr Enkel im September wieder in die Schule geht und der Opa allein „üben“ kann. Ich führe nun bespielhaft einige der Einstellmöglichkeiten an, welche die Vielzahl der Varianten andeuten, denn die persönliche Vorliebe für Fahrzeugmarken, Bewerben, Strecken mit Messmöglichkeiten erlauben individuelle Erlebnisse, die ich derzeit noch lange nicht überblicke.
Rein körperlich ist das Spielen mit diesem Programm allerdings nicht ganz so locker, wie man zu Beginn glaubt. Für mich alten Herrn ist die reale Welt immer präsent, ein „Ausritt“ lässt mich immer erschauern.
Sollten die Ergebnisse bei ausgewählten Sonderprüfungen besser werden, drohe ich mit weiteren „Berichten“. Ratschläge für die optimale Einstellung der Fulvia werden gerne entgegengenommen.
E. Marquart / 8.2023