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Wieder ein Zitat, das Wilhelm Busch zugeschrieben wird: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.“ Meine jahrzehntelange Beschäftigung mit der Sportgeschichte der Lancia-Modelle Flaminia, Flavia und Fulvia hat meinen Ruf so weit ruiniert, dass ich freundlich und höflich gefragt werde, ob ich auch (trotzdem?) an Büchern über 037 oder Delta Gruppe A interessiert sei.
Bin ich natürlich, will aber meine beschränkte Kompetenz nicht überdehnen. Die „bunte“ Geschichte der Lancia-Fahrzeuge nach dem zweiten Weltkrieg ist politisch, technisch und wirtschaftlich sehr komplex, da bleibe ich besser dort, wo ich mir selbst Kompetenz zuschreibe – und wohlmeinende Freunde widersprechen höflicherweise nicht.
Als ich 2010 die erste Ausgabe meines Buches über die Flavia „Schnelle Flavia – Wegbereiterin für die Fulvia“ veröffentlichte, kam aus Italien eine Anfrage von einem sehr prominenten Techniker aus dem FIAT-Konzern, der an führender Stelle die Entwicklung und Einsätze des 037, Delta S4 und Delta Gruppe A und N mitbestimmt hatte: Sergio Limone. Diesen Namen kennt jeder Lancia-Interessierte, in Büchern und Zeitschriften sind Beiträge von ihm über die Entwicklung der genannten Fahrzeuge erschienen, der Blick hinter die Kulissen zeigte den Aufwand und technische Kompetenz des Konzerns (ob Abarth Lancia, FIAT oder Alfa Romeo), die zu unzähligen Meistertiteln und Seriengewinnen geführt hat.
Ich konnte die Fragen von Sergio Limone beantworten, wir blieben in losem Kontakt für Zwischenfragen. Für mein Flaminia-Buch und den Nachruf auf Giorgio Pianta 2014 stellte mir Sergio Limone aus dem Nachlass von Pianta Bilder zur Verfügung, sandte mir die Broschüre „SE037 – 001“. Seine Würdigung von Giorgio Pianta erfolgte 2019 mit dem Buch „Giorgio Pianta – una vita per le corse“.
Im November 2020 konnte ich eine Anfrage zu einem weithin unbekannten Einsatz eines Flavia Coupés bei der East African Safari Rally 1967 von Bettoja/Mastacchi teilweise beantworten, sodass Sergio Limone mich fragte, ob ich an dem neuen Buch über den Delta Gruppe A interessiert wäre – bin ich natürlich, und kann nun in einer kurzen Besprechung auf dieses Buch hinweisen.
Sergio Remondino/Sergio Limone
Lancia Delta Gruppo A – Volume 1
Libreria Automotoclub Storico Italiano Torino
ISBN 978-88983-447-34Sprachen
Italienisch und Englisch
240×210 mm / 272 Seiten / 49,- €
Die Gliederung des Buches ist nach dem Vorwort von Miki Biasion chronologisch von 1987 bis 1996, unterteilt nach den Entwicklungsstufen Delta 4WD, 8V, 16V, HF, Proto. Einen großen Teil nimmt das Kapitel „Backstage“ von Sergio Limone und Luca Gastaldi ein, in welchen von den ersten Konzeptstudien über die laufende Weiterentwicklung bis ins Detail der Karosserieverstärkungen mit vielen Bilden berichtet wird. Ein umfangreicher Tabellenteil über 37 Seiten zeigt den Umfang des Einsatzes an Fahrzeugen, Modifikationen, Verwendung und Verbleib.
Aus heute weiter zeitlicher Entfernung lassen sich erst die Größenordnungen erkennen, die für das Erreichen der gesteckten Ziele – Lancia als Rallye-Weltmacht – aufgewendet wurden. Aus dem nebenberuflichen Sporteinsätzen von Privatfahrern zu Beginn der 1960er-Jahre bis zu den Hundertschaften vor dem offiziellen Ende der Werkseinsätze 1992:
- Flaminia Coupé Pininfarina 1962 – 1965: 5 Fahrzeuge in ungefähr 50 Bewerben
- Flavia (Berlina, Coupé, Sport) 1963 – 1967: 3 Berlinas, ungefähr 20 Coupés, 10 Sport in 130 Bewerben
- Fulvia (HF, 1,3 HF, 1,6 HF) 1965 – 1974: 12 HF, 27 1,3 HF und 40 1,6 HF in ungefähr in 250 Bewerben
- Delta (Gruppe A und N) 1986 – 1993: 227 im Buch gelistete Fahrzeuge, die Bewerbe habe ich nicht gezählt!
E. Marquart / 12.2020