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Im Zuge der Recherchen für meine Bücher über die Sportgeschichte der Lancia Modelle Flavia und Fulvia – die selbstgestellte Aufgabe eines spätberufenen Historikers – habe ich Sekundärliteratur, zeitgenössische Zeitschriften, Bildmaterial der Sportfotografen und Internet zusammengetragen. Im Gegensatz zu den englischen Automobilherstellern wie BMC und Ford, gab es bei Lancia keine offiziellen Aufzeichnungen über die Aktivitäten der Sportabteilung (Reparto Corse Lancia). Für die Fulvia schloss Gianni Tonti, der langjährige Leiter der Abteilung, 2013 diese für Markenfans schmerzliche Lücke, als er die beiden Bände „REPARTO CORSE LANCIA“ veröffentlichte. Die akribischen Aufzeichnungen („Il Quaderni“) über alle Einsätze der Fulvias zwischen November 1967 und Frühjahr 1974 zeigen detailliert Technik, Logistik und Einsatz der Sportabteilung.
Zurück zum Titel des Artikels: Diese fast vulgär-lateinische Verballhornung des allseits bekannten Zitats „Habent sua fata libelli“ von Terentianus Maurus, einem lateinischen Grammatiker Ende des 2. Jahrhunderts n. C., ist mir bei den Recherchen mehrmals in den Sinn gekommen: welches Schicksal haben die Fahrzeuge des Reparto Corse Lancia im Zuge ihrer Laufbahn bis zum Verkauf oder zur Verschrottung erlebt? Am Beispiel des Flavia Coupés TO 674624 aus dem Jahr 1964 habe ich solch ein Schicksal für die „Lancia Rundschau“, das Magazin des LCD, bereits einmal beschrieben. Nun habe ich eine von den 79 identifizierten Fulvias herausgegriffen. Basis sind die Aufzeichnungen von Gianni Tonti, die Bilder dazu habe ich im Laufe der Jahre aus den verschiedensten Quellen zusammengetragen.
Die Einsätze der HF und frühen 1,3 HF lagen noch vor Tontis Zeit als technischer Leiter des Reparto Corse, ich habe das wohl dokumentierte „Dienstfahrzeug“ von Pat Moss-Carlsson TO 970371, telaio 818.340 001282 herausgegriffen, das am 8. Jänner 1968 zugelassen worden war und als Gruppe 2 (verbesserte Tourenwagen) eingesetzt wurde. Tonti beschreibt dieses Fahrzeug in Band I, ab Seite 280.
Jahr | Datum | Bewerb | # | FahrerIn/BeifahrerIn | Erg. |
1968 | 20. Jan. | Monte Carlo | 37 | Moss/Nyström | 14 |
6. Mrz. | San Remo | 5 | Moss/Nyström | 2 | |
21. Mrz. | Sestriere | 38 | Moss/Nyström | 1 | |
30. Mai | Akropolis | 41 | Moss/Nyström | 8 | |
5. Juli | Vltava | 4 | Moss/Nyström | – | |
3. Sept. | Coupe des Alpes | 28 | Moss/Nyström | – | |
14. Okt. | Scandiatrofeo | Källström/Haggbom | 2 | ||
21. Okt. | Nattkroken | Källström/Haggbom | – | ||
9. Nov. | Tour de Corse | 17 | Mikkola/Aho | – | |
1969 | 5. Mrz. | Fiori | 14 | Barbasio/Mannucci | 3 |
25. Mrz. | Sestriere | 30 | Barbasio/Mannucci | 4 | |
1970 | 11. Okt. | Salita Orvieto | 3xx | Facetti Rosadella |
Zwölf nachgewiesene Einsätze, nach einem Unfall am 14.07.1971 – lang nach den dokumentierten Werkseinsätzen – eher notdürftig („riconsegnata la vettura in prestito d’uso senza riparala minimamente di carozzeria“) wiederaufgebaut und mit Motor Nr. 2581 an die Verkaufsdirektion am 20.07.1971 abgegeben.
Pat Moss-Carlsson war mit ihrer Beifahrerin Elizabeth Nyström im Winter 1967/68 von Cesare Fiorio verpflichtet worden, nach erfolgreichen Jahren mit Saab mit ihrem Mann Erik, war sie eine deutliche Verstärkung der HF Squadra Corse – nicht nur für Coupe des Dames sondern auch als Spitzenfahrerin im Männersport. Die Liste der Einsätze sehen Sie oben – die Erfolge waren bis Frühjahr 1968 recht erfreulich, erst in der Tschechoslowakei riss der Faden. Für den Coupe des Alpes, der fast ausschließlich auf Asphaltstraßen gefahren wurde und auch für Prototypen ausgeschrieben war, wurden massive Umbauten vorgenommen: 7-Gang-Getriebe aus dem (Flavia) „Jolly“, harte Federn, erleichterte Bremsen – Ausfall wegen Ölverlustes im Getriebe. Danach erfolgte der Rückbau auf Gruppe 2 für zwei Einsätze von Harry Källström in Schweden, ein zweiter Platz und ein Ausritt. In Korsika fuhren Hannu Mikkola/Aho wieder in Gruppe-2-Spezifikation mit Vierganggetriebe, Ausfall nach Ausritt.
1968 war bereits das Fünfganggetriebe für die 1,3 HF homologiert, Sergio Barbasio/Mario Mannucci fuhren mit „Berlina“-Blattfedern, spezieller Kupplung, kleinen Gummipuffern – Platz 3, drei Wochen später bei der Rallye Sestrière erreichten sie in derselben Spezifikation den vierten Platz.
Danach wurde der Wagen zum Karosseriepartner Frejus zur Überholung des Chassis gebracht, nach dem dieses „non è piu ritenuta valida per rally“ war. Danach wurde die Fulvia Rosadele Facetti für die italienische Gruppe-2-Meisterschaft überlassen, kam im März 1970 nach Auftrag der Turiner Lancia-Niederlassung zur mechanischen Überholung wieder zurück ins Reparto Corse Lancia, wurde dort nach Gruppe-4-Spezifikationen umgebaut und im Mai 1970 wieder an Facetti für nationale Rennen ausgeliefert.
Im Juli 1970 kam das Fahrzeug wieder mit deutlichen Unfallschäden links vorne, ohne Motor und Getriebe zurück.
Das Fahrzeug befand sich Stand 2014 in Padua in guten Händen, stand in einem Ausstellungsraum mit Dokumentation seiner bunten Geschichte – habent sua fata automobili!
E. Marquart / 1.2018