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Shopping in USA – Appia Zagato-Bericht

Das Gute parkt oft etwas weiter weg von zu Hause – der Weg, bis die Appia Zagato in Deutschland zu Hause war, war wohl nicht das Ziel, aber ist nun ein Teil der Identität

Im März 2003 hatte uns Thorsten Dörr einen hoffnungsvollen Bericht über seine Suche nach einer Appia Zagato zur Verfügung gestellt. Nach knapp vier Jahren Pause erfolgt nun der Update:

Shopping in U.S.A.

oder:

Wie ich meine Appia Zagato über das Internet kaufte

Thorsten Dörr, 14.12.2006

  

Lancia Appia Zagato Story, 2. Teil:

Die Leser meines ersten Teils wissen, dass ich Jahre lang auf der Suche nach einem vernünftigen Kaufobjekt einer Lancia Appia Zagato war. Ich war auch fast so weit es aufzugeben und etwas anderes zu kaufen, einen Simca 8 Sport zum Beispiel  –

Lancia

Da wurde ich zu einer Präsentation eines Lancia Händlers in Berlin eingeladen, zum Ausstellen meines Flavia 2000 Coupés. Eingeladen hatte Kay Borck und er versprach, dass auch eine Appia GTE Zagato anwesend sein würde! Natürlich wollte ich mir das nicht entgehen lassen, mich mal in eine Appia Zagato  hineinzusetzen, denn warum soll man von seiner Appia Z träumen, sie kaufen, restaurieren und dann feststellen, dass man zum Schluß nicht rein passt (Bin 1,84 Meter)?

Mit Klaus Peter Klehm und unseren beiden Flavias machte ich mich auf den Weg nach Berlin. Dort auf dem Hof des Händlers angekommen sehe ich sie schon stehen: Eine rote Appia GTE Zagato!

Lancia

Mit einem Freudenschrei und Augen wie Suppentellern renne ich zu der Appia, entdecke die filigranen Türöffner, mache die Fahrertür auf und bewundere das rautenförmig abgesteppte Leder in Creme-Farben. (Der Eigentümer ist nirgends zu sehen und so was zu tun, ist ungefragt nicht in Ordnung, ich weiß.) Aber ich war so begeistert, endlich mal ein komplettes, fahrtüchtiges Auto zu sehen, dass ich alle Etikette vergaß.

 

Circa drei staunende Sekunden später steht der sichtlich irritierte und ziemlich verärgerte Eigentümer, Marc Krepp, hinter mir. Ich entschuldige mich in aller Form und er bietet mir am nächsten Tag an, in der Appia mal mit zu fahren. Ich nehme natürlich begeistert an. Am nächsten Tag steige ich in die rote Schönheit ein und registriere vorher den offenen Motorraum. Ein riesiges Loch klafft in der Spritzwand, wo einmal die Heizung saß. ( Laut Eigentümer/ Appia- Pilot unnötiges Gewicht .) Des weiteren sehe ich einen Webervergaser, der sichtlich größer ist als das Original, den Ansaugtrichter mit einem Drahtgitter dekoriert, damit Vögel, Eichhörnchen und Yorkshire-Terrier nicht hineingezogen werden.

Lancia Motor

Nachdem die Appia startklar ist, steige ich mit Herzklopfen ein. Trotz dass ich so groß bin, fühle ich mich nicht beengt oder deplatziert. Der Sitz ist direkt auf das Bodenblech geschraubt, ich kann locker meine Beine ausstrecken und habe auch genug Kopffreiheit. Das Amaturenbrett ist komplett abgeschliffen, blankes Aluminium glotzt mich an.(Wurde auch hier an Gewicht gespart ? )

 

Nach dem Drücken des kleinen Zündschlüssels bricht ein infernalischer Höllenlärm los. Das ganze Auto zittert, bebt, dröhnt, einfach herrlich! Bei ca. 98 db erklärt mir Marc Krepp, dass Auspufftöpfe unnötiges Gewicht sind, ein Rohr tut es schließlich auch. Mir stehen alle Haare entzückt zu Berge, ich fühle mich wie ein Beifahrer bei einem Strassenrennen der 60er Jahre am Start! Marc lässt den Motor aufheulen und prescht sofort los, das Drehzahlmesser-Zifferblatt voll ausnutzend.

 

Die kleine Appia stürmt los, dass ich total überwältigt bin. Was man mit so einem kleinen 1100er V4 alles anstellen kann, kaum zu glauben, dass man in einem 60 PS-Auto der 50er-Epoche sitzt! Die Appia heult und fliegt um die Ecken, dass man vor Vergnügen nur noch „Forza“ schreien möchte ! Plötzlich, nach Übertreten aller zulässigen Höchstgeschwindigkeiten innerhalb geschlossener Ortschaften, überqueren von drei Ampeln bei Dunkelorange und Störung der Mittagsruhe eines ganzen Stadtviertels: Totenstille.

 

Der Motor ging einfach aus, totale Arbeitsverweigerung. Nach mehrmaligem Leiern die Diagnose von Prof. Dr. Krepp: Benzin alle. Man kann das Gewichtsparen auch übertreiben, finde ich. Jetzt weiß ich, warum Beifahrer so praktisch sind: Einer bewacht das Auto, der Andere joggt los und besorgt Benzin, in dem Fall ich. Aber egal, das Live- Erlebnis einer Appia Z war mir die lange Fahrt nach Berlin und die platten Füße wert!

Es wird Wochen dauern, bis das Grinsen verschwindet…

Dermaßen motiviert frischte ich noch einmal einen netten Lancia-Kontakt auf, den ich über einen Schweizer Lanciafahrer über das Internet bekommen hatte. Der führte mich zu Josef Wöss von den Lanciafreunden Österreich. Von ihm erfuhr ich ein paar Wochen zuvor, dass in USA eine Appia Z zu verkaufen wäre, ein Restaurierungs-Objekt . Er schrieb mir, er kenne den Verkäufer nicht persönlich, aber Huib Geurink (der Macher der schönen Lanciasite „Viva Lancia „). Über Huib bekam ich die Email-Adresse von Jeff Feet in Tacoma, bei Seattle, USA (Nähe der Kanadischen Grenze).

 

Ich schrieb Jeff sofort an, ob das Auto noch da wäre. Ja, es ist noch da, ist komplett und kostet 5.000.- Dollar. Hmmmm. Ein Trick? Vorsicht Kamera? Nepper ,Schlepper, Bauernfänger? Wieso ist die Appia noch da? Wieso so billig?

Appia Zagato Chassis

Es entwickelt sich ein reger E-mail Verkehr zwischen Jeff und mir. Er schickt mir drei Bilder von einer gestrippten, total zerlegten Appia. Er hat das Auto nicht inseriert, er ist Weinhändler und hat wenig Zeit. Der Boden, Türen und Sitze sind schon neu gemacht, das Fahrzeug ist 100 % komplett .

 

Tja, ich muß das Auto einfach haben, noch mal kommt so eine Gelegenheit nicht wieder, so viel steht fest. Ich war auf der Suche nach einer guten, ehrlichen Restaurationsbasis für ca. 10.000.- Euro. Die Appia Z von Jeff Feet ist genauso wie ich sie mir wünschte.

 

Nur:

  • Wie kommt sie zu mir in die Garage?
  • Mit dem Hänger nach Seattle fahren? Dauert über Alaska zu lange.
  • Auf „Achse“ überführen? Da müsste ich den neuen Boden wieder rausnehmen und wie die „Flintstones“ fahren .
  • Von einer Firma importieren lassen? Wer weiß, was man da kriegt.
  • Oder ob man überhaupt was kriegt…

 

Die Entscheidung wird nicht leichter, da fest steht, dass ich eben rüber fliegen muß. Und es könnte ja immer noch sein, dass das Auto nur auf Fotos existiert. Das heißt, ich belaste meine Freundin Petra besser nicht mit Details… Nur wie bringe ich ihr DAS bei?

„Schatz ich bin gleich wieder da?“

„Wart nicht mit dem Essen auf mich?“

„Ich gehe mir ein Auto anschauen, ich bin nächste Woche zurück?“

 

Es wird mir von Fortuna abgenommen, als ich bei einem ISO-Rivolta Treffen im Elsaß neben dem Clubchef Ferdinand Leopolder („Leo“) beim Essen sitze und er mich ausfragt, woher ich komme, wo ich arbeite, etc. Zufällig stammt er aus Ludwigshafen, wo ich arbeite . Beim weiteren Gespräch erzähle ich ihm von der Appia und meinem Problemen, wie ich rüberfliege, wie ich sie transportiere u.s.w. Sofort bietet er sich an, sich das Fahrzeug für mich anzuschauen, er fliegt nächste Woche in die Nähe von Seattle! Es stellt sich heraus, dass er früher für eine große Chemiefirma in Amerika Geschäfte abgewickelt hat, Transporte per Container organisiert hat und solche Sachen .

Wir vereinbaren, dass er sich das Auto anschaut und ausführlich fotografiert, ich bezahle die Unkosten dieser Exkursion.

 

Drei Wochen später treffen wir uns bei Spaghetti und Vino . Er zeigt mir drei vollgeknipste Film von der Appia . JEDES Teil ist da und im Originalzustand, nicht ist wirklich kaputt, nur dreckig oder angerostet. Zufällig steht dort noch eine zerlegte Flavia Zagato, auch zu verkaufen (Aber das wäre mir zu viel geworden).

 

Der Vorbesitzer der Appia, dem Jeff Feet das Auto abkaufte, ist sein Freund und heißt Jeff Burke. Er hat einen guten Ruf als Restaurator von Ferrari, Maserati und ähnlichen Italienern, die sich in die Staaten verlaufen haben. Ganz nebenbei hat er mit einem anderen Lancisti ein Appia Zagato Buch geschrieben, das er praktisch selbst vertreibt .Ich kaufe gleich zwei Stück davon, vieles ist in Schwarz-Weiß, aber es finden sich wertvolle Infos darin.

 

Ich bin begeistert und Leo bietet mir an, den Transport zu organisieren . Ich bin heilfroh und willige ein, da ich von Überseetransporten, Containern und ähnlichen Sachen (z. B. Astrophysik oder Atome spalten ) keine Ahnung habe. Leo macht alles, generalstabsmäßig! Er ermittelt mir den günstigsten Containertransport, Frachtrate, Spedition von Bremerhafen zu mir nach Hause, Zollgebühr, einfach alles! Ein Geschenk des Himmels! Doch trotz allem : Die (Transport)Wege des Herrn sind unergründlich ….

 

Wieso wird der Container voll mit Appia-Kartons und -Kisten entlang der Westküste der USA bis Lateinamerika und Panama durch den Kanal bis Bremerhafen geschippert ?? Damit sie noch ein paar Kilometer draufkriegt ?? Wieso muß ich ein Formular unterschreiben, dass die Kapitäne der Containerschiffe bei schwerem Sturm berechtigt sind einige Container, eventuell auch MEINEN Appia-Container, ins Meer zu schmeißen, damit sie nicht kentern ?? Fragen über Fragen……

 

Nun, Leo fliegt wieder in die Staaten und wird dort die Appia „eintüten“ und sie auf die Reise schicken.

Ich bezahle ihm seine Spesen und sitze zu Hause, darauf gespannt, was ich bekommen werde. Vielleicht einen Beileidbrief eines Kapitäns des Containerschiffs? Oder einen Container voller Alu-Sondermüll? Oder eine „gechoppte„ Appia, weil der Container im Hafen beim Abladen herunterkippte? Oder etwa das, was ich „bestellt“ habe?

Appia Zagato im Container

 

Das klappt nämlich meistens nicht . Zum Beispiel – In der Bäckerei bei mir um die Ecke, die einem Bäckermeister gehört, der eindeutig nicht kommerziell orientiert ist . Der eher nach dem Lust-Prinzip arbeitet, das heißt, er backt nur das, wozu er Lust hat . Nachdem ich mich mal darüber ausließ, dass Samstags morgens um 8 Uhr (!) das Brot wieder alle war, weil er zu wenig gebacken hatte, hieß es: Bestellen Sie doch einfach Ihr Brot für den Samstag! Aber natürlich, hätt ich auch selbst drauf kommen können! Am nächsten Samstag will ich freudestrahlend mein bestelltes Brot abholen. Die Verkäuferin teilt mir mit das wäre schwierig, es sei kein Brot mehr da. —- Aber ich hatte doch ein Ciabata bestellt ?? Die Verkäuferin entgegnet, ja, aber er hätte diesmal keine Lust gehabt, welches zu backen … Dieser sozialistische Individual-Bäcker des Proletariats hat mir den Glauben an zuverlässige Bestell-Lieferungen geraubt. Vielleicht hat er ja recht? Was bestelle ich auch ein italienisches Brot, warum nicht ein urdeutsches und anständiges Brot, zusammen mit einer BILDzeitung ? Wie jeder aufrechte West-Germane mit nationalem Bewußtsein und Schrebergarten?

 

Aber das nur am Rande… Wie auch immer, sechs Wochen später kommt ein Anruf, der Container soll angeliefert werden, wann ich Zeit hätte. Ich organisiere noch zwei Freunde, Leo kommt aus München mit einem Bekannten dazu.

Der LKW kommt, einen großen, braunen, rostigen Kasten drauf:

Mein Leben, meine Ersparnisse und meine Beziehung ziehen kaleidoskop-artig an meinem geistigen Auge vorbei…

Die Türen öffnen sich knarrend: Da!

Ein freches 50er Jahre -Gesicht schaut raus!

Appia Zagato im Container

 

Es ist: Liebe auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick: Alles heil, nichts umgeworfen, nichts unter Wasser, nichts geklaut, keine Drogenkuriere oder illegalen Einwanderer drin, alles paletti! (im wahrsten Sinne des Wortes, die Karosse und die Kisten sind mit Europaletten gesichert und verschraubt). Wir laden alles aus, zum Schluß heben wir die Karosse mit Vierkant-Hölzern heraus und tragen Sie in eine Extragarage in meiner Halle .

 

Eine Stunde später ist alles verstaut, alle Leute sind weg, es ist still geworden, ich bin mit meinem „Schatz“ allein …

Appia Zagato Chassis

Da steht sie nun auf Böcken, unter einer Folie. Die Restaurierung wird sich schon finden, einen konkreten Zeitplan habe ich nicht. Aber der Tag, an dem ich einsteige und das erste Mal losfahre oder zur Targa Florio nach Sizilien auf Achse anreise wird sicherlich ein ganz besonderer Tag für mich sein . Wer weiß? Vielleicht in 2-3 Jahren oder so?

Egal, ich erfreue mich allein schon an der bloßen Tatsache, dass ich es geschafft habe „meine“ Appia Zagato zu finden.

 

Jedenfalls zeigt sich mal wieder dass man nicht aufgeben sollte, wenn man einen Traum hat, oder ein ganz bestimmtes Ziel.

 

Nun sind 3 Jahre vergangen, und jedes Jahr freue ich mich über die steigenden Preise der fertig restaurierten Appia Zagatos in Padua auf der Messe. Ein beruhigendes Gefühl… da ich doch weiß, dass meine Appia Zagato noch einiges an Geld verschlingen wird.

 

Ich möchte noch mal von ganzem Herzen Josef Wöss und Huib Geurink danken für Ihre Hilfe bei der „selbstlosen“ Weitergabe der Kontaktadresse. Ebenfalls danke ich Fortuna ( nein, nicht Düsseldorf ! ) dass sie verhindert hat, dass die Appia das Schicksal der 18 Aurelia B24 Spider der gesunkenen Andrea Dorea teilt! Ebenso danke ich vor allem Ferdinand „Leo“ Leopolder, der, obwohl ein eingefleischter ISO-Rivolta-Fan, mir sofort, für ganz kleines Geld und mit Zeit-Engagment und Enthusiasmus geholfen hat, die Appia kaufen zu können, quasi vom Schreibtisch aus .

 

Zu guter Letzt danke ich meiner Liebsten, Petra, die geduldig meine Oldie-Eskapaden erträgt, haarsträubend absurde Erklärungen gelassen entgegen nimmt, ihr Leben mit meinen Ersatzteilen, Corgi-Modellen und zahlreichen Autobüchern teilt, und trotzdem immer noch bei mir wohnt ! DAS ist eine Frau, was will man mehr??

Falls jemand wertvolle Tipps zur Restaurierung von Alu-Karossen hat, Infos, Bilder oder Ähnliches über Lancia Appia Zagato besitzt, wäre ich über eine Kontaktaufnahme sehr dankbar !

 

Thorsten Dörr,

Speyer (D)

Tel.Nr. : 0049 / 6232 / 620 177

appiazagato@freenet.de

 

Forstsetzung folgt…………

Forza Lancia!

 

Euer Thorsten

 

Nun folgen die Helden dieser Geschichte !

Ferdinand ( „Leo“ ) Leopolder             Josef Wöss

Capo des ISO-Rivolta  Clubs               Lanciafreunde Österreich

Tel.Nr.: 0049/89/620 002 32              0043/699/100 544 57

Info@isoclub.de                                                   j.woess@gmx.at

 

 

Huib Geurink

Macher der Website „Viva-Lancia“

huib@viva-lancia.com

Lancia

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