Am Anfang war die Tulpe…
…oder das „Chinesenzeichen“, wie der „tulip“ Aufschrieb von unseren großen deutschen Brüdern genannt wird. Wer diese Form des „Schriebes“ wann erfand, ist sicher bekannt und wissenschaftlich vielfach dokumentiert, aber ich nehme an, dass sich ungefähr vier bis fünf Nationen darum streiten, und daher will ich mich da nicht einmischen. Aber eigentlich ist das auch gar nicht wichtig, weil die durch ein Roadbook dokumentierten Streckenteile bei der Tulpenrallye eine sehr untergeordnete bis gar keine Rolle spielten.
Vollkommen anders als in Österreich und Deutschland bei Rallyes gewohnt, stand bei der 51. Internationalen TULPENRALLYE die Orientierung im Vordergrund. Die (von den Organisatoren) gewünschte Strecke musste mit Hilfe von Kartenausschnitten und mehr oder weniger genauen schriftlichen Hilfsangaben mehr oder weniger „erfühlt“ werden. Die trotzdem vorhandenen Gleichmäßig-keitsprüfungen (und nur diese wurden mit einem Roadbook geadelt) hatten die Wichtigkeit des berühmten „in China umgefallenden Fahrrades“ und konnten einen selbst mit „Schraml-hafter“ Genauigkeit maximal vom 120. auf den 119. Platz bringen. Die Einhaltung der Strecke (soferne man diese richtig – siehe oben – „erfühlt“ hatte) wurde mit Hilfe von sogenannten „Baumaffen“ und „Selbststemplern“ überprüft.
Ich möchte jetzt einmal eine Lanze für die Erfindung von neuen Namen brechen. Sowohl Chinesenzeichen als auch Baumaffen oder Selbststempler haben den Charme von „Abfederung“ oder „Einschleifregelung“. Wenn jemandem bessere Bezeichnungen einfallen, belohne ich diese gerne mit je einer Flasche Sekt. Diese „Baumaffen“ sind Zeichen (meist Buchstaben), die auf einem Schild, das nach einem eigenen Regelwerk platziert werden muß (nur rechts, außer …), angebracht sind. Diese Zeichen müssen in richtiger Reihenfolge in eine Kontroll-karte abwechselnd mit Selbst- und Fremdstemplern (Zeitkontrollen) eingetragen werden. Nachdem es auch bemannte Zeitkontrollen gibt, ist auch schwindeln nicht leicht möglich, da zwischen den Feldern kein Abstand sein darf und niemand weiß, wie viele Baumaffen und Selbststempler (diese erklären sich – wie schon der Name sagt – von selbst) einem pro Etappe zur Erbauung vorge-setzt werden. Gut – daraus darf geschlossen werden, dass die Etappen ziemlich knapp werden. Wenn man weiß, dass eine Etappe, wenn man sich nicht verfährt, zwar problemlos zu schaffen ist, man aber dabei auch nicht trödeln darf und sich niemand nicht verfährt … darf man daraus schließen, dass die meist gestellte Frage nicht ist, ob, sondern wie viele Strafminuten man bei der nächsten „Tijdcontrole“ ausfasst. Mir ist es jedenfalls gelungen in der ersten Etappe dieser Rallye mehr Strafminuten auszufassen, als in meinem gesamten bisherigen Motorsport-Leben. Naja – vielleicht liegt’s ja auch an mir. Gemeiner-weise werden dazwischen vom Veranstalter noch Radarkontrollen abgehalten (ich erhielt gleich am ersten Tag eine Verwarnung wegen speeding), die beim zweiten Verstoß mit 300 Strafpunkten und beim dritten mit Ausschluss pönalisiert wird.
Wie ging es jetzt eigentlich den drei kleinen Österreicher-Teams, die sich „die Amazonen“ nannten und auszogen den großen holländischen Rallyemachern das Fürchten zu lehren bzw. allen zu zeigen, wo der Bartl den Most … Gut – sagen wir einfach der Most ist noch dort, wo er hingehört und breiten wir den gnädigen Mantel des Vergessens über diese Aussage. Am ersten Tag hatten die Veranstalter ja noch die „unmäßige“ Güte, mit dem Roadbook bereits eine Viertelstunde vor dem Start herauszurücken, damit man sich in Ruhe ein bisschen damit beschäftigen konnte. Später gab es das Roadbook erst direkt am Start: „… Drei, Zwei, Eins … Da hast Du das Roadbook … Ab“. Bis zum Start ging es uns allen ja noch ganz gut, aber bereits die erste Etappe hatte ihre Tücken. Drei Viertel der Etappe waren eigentlich problemlos und ich wollte bereits festhalten, dass diese Orientierungsaufgaben eigentlich gar nicht so … und außerdem mit ein bisschen gesunden Menschenverstand … und überhaupt. Kurz vor dem ersten Etappenziel waren wir auf einmal mitten im Beatles Song „Nowhere land“. Dieser verdammte Ort, den wir finden sollten, stand auf allen Mistkübeln der Umgebung, aber nirgendwo eine Zeitkontrolle oder eine „richtige“ Ortstafel zu sehen. Auf einmal leuchten, Glück verheißend, einige Autos durch den dichten Busch und siehe da, die Zeitkontrolle … und wir haben noch drei Minuten Zeit. Toll! Da stellen wir fest, dass wir die Zeitkontrolle nur von der falschen Seite anfahren könnten und man weiß ja, dass ist sehr … Also machen wir uns auf den Weg, diese zu umfahren, um uns von der richtigen Seite zu nähern. Nachdem sich ca. 41 Versuche als Sackgassen, Feldwege mit meterhohen Stufen bzw. durch umgefallene Bäume gesperrt herausgestellt haben und wir ca. 20 min. unserer wertvollen Zeit verbraten haben, kamen wir – eher zufällig – endlich von der richtigen Seite zur Kontrolle und waren als eines der letzten Autos im Starterfeld zukünftig auch von den „unsportlichen“ Hilfen manchmal einfach jemandem nachzufahren („Das erste was ich gelernt habe im Motorsport, ist niemals einem Konkurrenten nachzufahren…), abgeschnitten. Und so gings weiter … Unseren Freunden, die die beiden anderen Volvo Amazon fuhren, erging es ähnlich und unsere abendlichen Platzierungen, waren zwischen „hinterer“ Mitte und „gutem“ Schluss. Ich habe an diese Rallye am Abend trotz erfreulich flotter Schnitte auf die Rätselrallye-Ebene verlegt und als Beifahrer- und nicht Fahrer-Rallye verdammt. Andererseits reizt natürlich auch die neue Aufgabenstellung und der berühmte Satz: „Wenn’s andere können, warum sollten dann wir nicht …“ geisterte durch unsere Überlegungen.
Während „die Füchse“ (nomen est omen) nicht nur die am besten platzierten waren und diese Art von Rallye ja bereits kannten und „lieben“ gelernt hatten, war die Stimmung bei Andy, Gerhard und uns (die beiden Peter) eher unten durch. Aber – siehe da – am nächsten Morgen, beim nächsten Start waren alle wieder voll motiviert da. Weil … und jetzt erst recht (auch wenn’s daran schlimme Erinnerungen gibt). Und siehe da – am zweiten Tag ging es uns allen um einiges besser bis am späteren Nachmittag – ich will es nicht verschweigen – wir nach Entfernung eines Stacheldrahtzaunes den französischen Almboden mit einem kleinen Umweg über gewachsene Findlinge testeten. An Weiterfahren war im ersten Moment nicht zu denken. Mit dem Schluß– und Werkstattwagen haben wir dann die Stoßstange und den Kotflügel wieder soweit weggebogen und den Scheinwerfer mit Racetape hineingepickt, dass … Jedenfalls sind wir den Tag mit 45 Minuten Verspätung noch fertig gefahren. Allerdings waren nach zwei Etappen (die wir trotz um 90 Grad verdrehtem Lenkrad und eher reduzierter Fahrweise sogar in Idealzeit schafften) die Zeitkontrollen nicht mehr besetzt. Nachdem wir am nächsten Morgen noch Wasserverlust feststellten und eine sehr nette VOLVO-Werkstätte in Epinal uns auch nicht weiterhelfen konnte, mussten wir schweren Herzens den Vogesentag spritzen und uns Richtung Heimat bewegen. Die Tulpenrallye war damit für uns erledigt aber – vielleicht doch … nächstes Jahr. Na ja – wir werden sehen.
Für die beiden anderen Teams ging es ganz zufriedenstellend weiter, Andy Starkmann und Gerhard König konnten sich langsam aber laufend verbessern bis auch sie zum Schluss von technischen Problemen mit sich auflösenden Reifen konfrontiert wurden. Die beiden Füchse hatten ein paar recht respektable Resultate, wenn Ihnen auch der zweite Tag mit durch -einen Fremdunfall ausgelösten- Strafminuten zum Verhängnis wurde und alle konnten ein Endergebnis nach dem mittleren Drittel erzielen.
Zusammengefasst ist die TULPENRALLYE eine ziemlich große Veranstaltung (über 300 Fahrzeuge) die sich recht deutlich von dem bei uns üblichen unterscheidet. Die Organisation ist größtenteils perfekt, die Leute nett und vielleicht gibt’s nächste Jahr ein paar neue Leidensgenossen!
Peter Landrichter / 5.2004