In welche Rubrik soll ich den Bericht über die Jubiläums-Veranstaltung einreihen? In „Veranstaltungen“, weil nicht selbst mitgefahren, oder „Drivers Journal“, weil meine Fulvia mitgefahren ist?
Seit 1994 besuche ich fast regelmäßig die heute größte österreichische Veranstaltung für Oldtimer und Fans des historischen Motorsports im steirischen Ennstal. Wie schon mehrfach erzählt haben Helmut Zwickl und Michael Glöckner im idyllischen Ennstal eine tolle Oldtimerrallye und einen Treffpunkt für Renngrößen der Vergangenheit von Sir Stirling Moss „abwärts“ geschaffen, zu der man fahren „muss“. Mein Freund Helmut Neverla ist dem Zauber dieser Rallye verfallen, mehrfach Beifahrer, noch öfter Teilnehmer mit seiner Fulvia 1,6 HF – wir haben mehrfach davon berichtet – bis zum 6. Platz mit Richard Hollinek im Jahr 2009. Die Fulvia wurde verkauft, also fuhren wir danach gemeinsam mit meiner Fulvia zuschauen, nach Gröbming, auf den Red Bull-Ring, zur ZK nach Lunz usw.
Die Fulvia-lose Zeit dauerte allerdings nicht lange. Die Restaurierung eines Flavia Coupés war die nächste Aufgabe, mit dieser Flavia sollte „natürlich“ wieder eine Ennstal-Classic gefahren werden. Es dauerte, dem schlechten Zustand der Ausgangsbasis entsprechend, doch einige Zeit, bis das ursprünglich weiße 1,8 l Coupé im traditionellen Rot wieder komplett restauriert auf die Straße rollte. 2016 zeichnete sich der Fertigstellungstermin ab, es sollte die Ennstal-Classic 2017 werden. Auch einen entsprechend profilierten Fahrer/Beifahrer hat Helmut schon im Auge.
Die Ennstal-Classic wurde von Beginn an mit prominenten Namen „aufgeputzt“: als Fahrer, Beifahrer, Chauffeure von Renn-Pretiosen in Gröbming. Die „alten“ Herren kommen gerne, treffen bekannte Gesichter, genießen das Bad in der Menge und zeigen ihre aufrechte Bindung zum Motorsport. Also ein prominenter Fahrer oder Beifahrer für die Flavia. Und schon der erste angesprochene Freund aus der Lancia-Vergangenheit sagte zu: Daniele Audetto. Helmut kennt Daniele seit 1970, als er als Mitarbeiter der Firma Obrecht die Lancia-Rallyeteams bei ihren Starts in Österreich betreute. Die Biographie Daniele Audettos kann in Literatur und Internet nachgelesen werden.
Daniele Audetto kam am Mittwoch mit Frau aus Italien nach Wien geflogen, wurde standesgemäß mit dem Kappa Coupé meines Freundes Franz Casny und einem Leihwagen der Firma Fiat Ebner aus Guntramsdorf ins Ennstal gebracht. Aber …
Die Flavia war programmgemäß fertig geworden, wurde angemeldet, die Probefahrten absolviert, der Halda-Twinmaster eingebaut und kalibriert, der Anhänger stand vor der Garage, als der Hauptbremszylinder leckte und nicht mehr dicht werden wollte. Und das einen Tag vor der Abnahme! Ins Ennstal zu fahren ohne sicher funktionierende Bremsen, wäre nicht vernünftig gewesen. Was tun? Den Freund mit der 1,3 HF anrufen und fragen: Borgst Du mir Deine Fulvia? Er borgte. Und so stand meine Fulvia 1,3 HF, Baujahr 1967, noch nicht ganz 50 Jahre jung am Tag vor der Abnahme auf dem Anhänger und reiste nach Rücksprache mit dem Veranstalter nach Gröbming.
Daniele Audetto hatte 1968 und 1969 als Beifahrer von Amilcare Ballestrieri und Sandro Munari mit Fulvias 1,3 HF des Reparto Corse Lancia und Jolly Clubs einige Rallyes bestritten, sodass seine Teilnahme mit diesem Fahrzeug sogar authentischer als mit einem Flavia Coupé war.
Allerdings reichte die Zeit nicht mehr aus, den Halda-Twinmaster aus der Flavia aus- und in die Fulvia einzubauen. So mussten die beiden Herren mit „stumpfen Waffen“ die 1/10-Sekunden-Klauberei (Originalzitat Walter Röhrl „Tipferlscheißerei“) bestreiten. Roadbook und analoge Uhren mussten reichen. Und sie reichten, obwohl Daniele bei jeder Gelegenheit bestimmt meinte: „that is not my business!“ Wenn man bedenkt, dass Abweichungen von wenigen Zehntelsekunden nur Plätze jenseits Platz 15 bis 25 gibt, dann kann man ermessen, welche Leistung die beiden Herren erbracht haben. Die „Profis“ mit 10.000 Geräten im Auto beherrschten den Bewerb, ob sie auch dieselbe Freude wie die „lockeren“ Amateure hatten, ist fraglich.
Meine Fulvia schlug sich tapfer, zeigte keine Mängel und reiste am Sonntag nach dem Bewerb wieder per Anhänger nach Hause. Daniele Audetto und Frau reisten per Kappa Coupé nach Schwechat und waren am Abend wieder in Italien. Zwar ohne scheußlichen Pokal, aber voll Freude über die tolle Veranstaltung und Betreuung durch österreichische Lancia-Freunde. Lassen wir uns überraschen, ob es wirklich beim „that is not my business“ von Danielle Audetto bleibt.
Ein kleiner Blick auf die anderen teilnehmenden Lancia, denen wir dieses Jahr allerdings egoistisch nur wenig Augenmerk geschenkt haben.
# 26 Georg Geyer/Thomas Frik Lancia Aprilia Bj. 1937 137.
# 57 Giorgio Rossi/Tobias Giger Lancia Aurelia B20 GT Bj. 1954 82.
# 88 Vicky Kummer/Vicky Kummer Lancia Aurelia B24 S Bj. 1957 111.
# 126 Helmut Neverla/Daniele Audetto Fulvia 1,3 HF Bj. 1967 71.
# 129 Andreas Lustig/Günther Lippitsch Flaminia GT 3C Bj. 1964 54.
# 190 Michael Forenbach/Igor Skacel Lancia Fulvia 1600 HF Bj. 1970 DNF
# 192 Werner Paulinz/Manfred Postl Fulvia Sport Zagato Bj. 1972 22.
# 204 Gerhard Mischka/Evelyn Mischka Fulvia 1600 HF Bj. 1972 DNF
Die Details zur Ennstal-Classic wie Startliste, Strecke und Detailergebnisse können Sie auf der Homepage des Veranstalters nachlesen: https://www.ennstal-classic.at/
lancianews dankt wieder Josef Mayrhofer, der am ersten Tag zu einem kurzen Besuch in Gröbming war und die Lancias aufgenommen hat.
E. Marquart / 8.2017