Fulvia-Sportgeschichte: Wieder Antworten auf Fragen, die niemand gestellt hat. Gab es „Dienstfahrzeuge“ für die Mitglieder der HF Squadra Corse?
Zuerst waren die rudimentären Listen der Werksfahrzeuge des Reparto Corse Lancia (Altorio und Weernink) – 79 Fahrzeuge mit Chassisnummer und Zulassungsnummern, und ganz wenigen Hinweisen zur Ausstattung (verstärkt, erleichtert oder z.B. für East African Safari präpariert). Dann kamen im Internet in Foren eine Fülle von Fotos mit mehr oder weniger richtigen Bildlegenden (immer ohne Quellangaben), wodurch ein großer Raum für Interpretationen und Gerüchte blieb – da wurde von vielen Schindluder mit dem Begriff „Ex-works“ getrieben.
Carlo Stella hat 2002 mit seinem Buch „Zagato – Fulvia Sport Competizione“ für die Fulvia Sport die Sümpfe trockengelegt. Und Gianni Tonti hat 2013 mit seinen beiden Bänden „Reparto Corse Lancia“ (endlich) die detaillierte Geschichte der Werksfahrzeuge dokumentiert. Diese Bücher haben die Diskussionen in der (Internet)Szene beendet, die Quellen waren offengelegt, welche Fulvia, wie, wann und wo eingesetzt worden war. Und die unüberprüfbaren Behauptungen von selbsternannten Fachleuten, welch geschichtsträchtige Fulvia zum Verkauf stünde, verstummten.
Für mich als Historiker waren die Bücher von Gianni Tonti die Bestätigung meiner Ergebnisse von ungefähr 15 Jahren Recherche zur Sportgeschichte der Fulvia: Tontis „Quaderni“ konnten zu einem hohen Prozentsatz durch Bild- und Literaturangaben dokumentiert werden. Aber auch weitergehende Informationen wie Verbleib der Fahrzeuge nach Ende der Wettbewerbseinsätze kann man dort finden – siehe Beitrag „Muletto“ aus dem Jahr 2014.
Ich habe das zusammengetragene Datenmaterial bereits in mehreren Beiträgen in lancianews aus verschiedenen Blickwinkeln analysiert und zusammengestellt. Den Aspekt der Besetzung der Bewerbe mit welchen Fahrern und Fahrzeugen hatte bisher ich nur am Rande betrachtet, die Lebensdauer – „Fulvia-Datensumpf“ im Mai 2010 – angeführt. Die folgende Aufstellung soll die Fragen (?), welcher Fahrer welches Fahrzeug mit welchem Erfolg gefahren hat, beantworten. Eine weitere „Orchideen“-Fragestellung, schön, aber ohne praktische Bedeutung.
Was aus der zeitlich so weiter Entfernung kaum noch nachvollziehbar erklärt werden kann, warum gerade diese oder jene Konstellation Fahrer/Fahrzeug zum Einsatz kam, wurde durch viele Faktoren bestimmt:
- Jahresziele (Meisterschaften national, international)
- Bedeutung der Veranstaltung (Prädikat)
- Randbedingungen der Veranstaltung (Entfernung von Turin, Profil – Länge, Straßen, Topografie)
- Verfügbarkeit der Fahrzeuge nach den vorhergehenden Veranstaltungen (in Turin, unterwegs, Instandhaltung, Reparaturen, Verbesserungen).
Die folgende Aufstellung zeigt die Einsätze der Fahrzeuge pro Fahrer, wobei aus Übersichtlich-keitsgründen nur die mindestens drei Mal eingesetzten Fahrzeuge dargestellt werden, weil die erhobenen rund 550 Einsätze in 250 Bewerben nicht sinnvoll auf alle Fulvias komprimiert werden kann.
Hatten die FahrerInnen Dienstfahrzeuge, mit welchen sie mehrere Bewerbe in einer Saison fuhren? Ausnahmen bestätigen die Regel. Denn erklärbare Mehrfacheinsätze gab es nicht, eher räumlich begründete Einsätze, weil die Logistik für die Transporte von und nach Turin per Achse meist sehr mühsam war. So setzten Claudine und René Trautmann in den Jahren 1967 bis 1969 nur drei Fahrzeuge in Frankreich ein, wettbewerbsabhängig zwischen Gruppe 2/3 und 6 wechselnd. Auch Bewerbe in Österreich und Deutschland wurden mit jeweils einem Fahrzeug bestritten, Mechaniker und/oder Beifahrer reisten von Österreich (Semperit Rallye, Martha Goldpokal) weiter nach Deutschland (Hessen, Wiesbaden, Bavaria).
Pat Moss-Carlsson (6 Einsätze 1968), Amilcare Ballestrieri (6 und 8 Einsätze 1972 und 1973) sowie Sergio Barbasio (7 Einsätze 1970/71) hatten Mehrfacheinsätze, während Munari und Källström in mehreren Fahrzeugen antraten. Eine Systematik habe ich nicht entdecken können. Als „Beweis“ könnte man die ausgefüllten Nennformulare für die Veranstaltungen heranziehen, in welchen nie die geforderten Fahrzeugspezifikationen angeführt wurden: „Fulvia 1600 HF“, sonst nichts. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Nennung konnte die HF Squadra HF keine Details angeben, weil man noch nicht wusste, welches Fahrzeug an den Start gehen würde.
Fahrer/Fahrzeug |
Starts | Siege |
Leo Cella | 33 | 1 |
TO 769486 | 3 | 1 |
Ove Andersson | 17 | 1 |
Pauli Toivonen | 6 | |
TO 858448 | 3 | |
Harry Källström | 54 | 9 |
TO 970377 | 4 | 1 |
TO B79056 | 3 | 1 |
TO B79057 | 3 | 1 |
TO B98534 | 3 | 1 |
TO G07019 | 4 | |
Pat Moss-Carlsson | 14 | 1 |
TO 970371 | 6 | 1 |
Sandro Munari | 88 | 21 |
TO 759484 | 3 | |
TO A63484 | 3 | |
TO A65744 | 4 | |
TO B79057 | 4 | |
TO B99805 | 4 | 2 |
TO E24264 | 3 | |
TO E51664 | 4 | 2 |
TO H23332 | 3 | 3 |
TO H25670 | 4 | 1 |
Amilcare Ballestrieri | 72 | 17 |
TO A81338 | 3 | 1 |
TO B51443 | 4 | 1 |
TO B99805 | 3 | |
TO D20641 | 3 | |
TO E51661 | 6 | |
TO G75937 | 8 | 4 |
TO H23321 | 4 | |
Sergio Barbasio | 49 | 8 |
TO 970376 | 3 | |
TO A93261 | 4 | |
TO B51445 | 5 | |
TO B51446 | 5 | |
TO B99805 | 7 | |
TO D73047 | 3 | 1 |
TO E51663 | 3 | 3 |
René Trautmann | 35 | 4 |
TO 858493 | 6 | 1 |
TO 953013 | 6 | 2 |
TO 970377 | 4 | |
Claudine Trautmann | 22 | 1 |
TO 953013 | 3 | 1 |
TO 970370 | 3 | |
Tony Fall | 8 | 3 |
Simo Lampinen | 26 | 4 |
E. Marquart / 8.2016