Wintertourenfahrt 1964

Wintertourenfahrt 1964

29 Jan, 2017

Aus unserem Archiv – ein Bericht aus der „Urzeit“ der Wertungsfahrten in Österreich nach dem zweiten Weltkrieg, als Winter noch wirklich Winter mit Schnee und ohne Salz auf den Straßen waren


Streckenvorgabe in der Ausschreibung

Da berichtet lancianews mit Bewunderung (im Dezember 2004 in der Rubrik „Über Lancia“ – Karl L. Hirsch bei der Winter-Tourenfahrt) und erfreuter Anteilnahme (in der Rubrik „Drivers Journal“ ab 2006) von den mutigen Männern, die sich mit ihren Lancias in kalte Winterabenteuer stürzten und stürzen. Und der eifrige Berichterstatter erwähnt so nebenbei, dass man selbst einmal mit einem Lancia bei der Winter-Tourenfahrt unterwegs gewesen sei. Und erntet  damit in der Redaktionsstube lächelnde Ironie.

Zur Ehrenrettung des „mutigen“ Schreiberlings erfolgt daher „auf vielseitigen Wunsch“ der epochale Bericht über das einmalige Erlebnis mit einer Lancia Flavia Berlina 1. Serie die XVI. Winter-Tourenfahrt 1964 bestritten zu haben.


„Stabilität“ im Fahrverhalten durch Frontantrieb

Die Winter-Tourenfahrt des ÖAMTC war bis in die 1970er-Jahre traditionell am ersten Februarwochenende die erste Veranstaltung des Sportkalenders, war für Roller, Motorräder, Motorräder mit Beiwagen und Automobile (Tourenwagen Gruppe 1 und 2 sowie Grand-Tourismewagen Gruppe 3) ausgeschrieben. Die Veranstaltung erfreute sich großer Beliebtheit bei den Sportlern, weil sie durch Strecke und Wertung noch eher „alte und heroische“ Anforderungen an die Teilnehmer stellte. Für heutige Begriffe waren die Bestimmungen fast kompliziert: „Jeder Bewerber muss eine Rundstrecke unter Berücksichtigung von einer (von fünf) Zeitkontrolle und von mindestens zwei (von sechs) Passierkontrollen zurücklegen.“ Die Richtung im Uhrzeigersinn war vorgegeben – für jeden vollendeten Kilometer wurde ein Gutpunkt erteilt, für das Anfahren der Kontrollen wurde eine bestimmte Gutpunkteanzahl in Abhängigkeit von einer gewählten Durchschnitts-geschwindigkeitsgruppe (30 – 40/35 – 45/40 – 50 km /h) gegeben. Für das Anfahren aller Kontrollen erhielt der Teilnehmer zusätzlich 200 Punkte. Weiters wurde eine Maximalfahrzeit für die 671 km abhängig von der Wertungsgruppe vorgegeben (zwischen 8 und 10 Stunden).

Das maßgebende Kriterium war der Straßenzustand Anfang Februar – „damals“ war zu diesem Datum immer Winter, und die niederösterreichischen Streckenteile Hals – Kalte Kuchl – Ochssattel – Rohrersattel sowie die oft „windverwehten“ Straßen im nördlichen Weinviertel waren echte Herausforderungen – ohne Spikes, oft ohne Winterreifen und nur mit Ketten als letzte Antriebshilfe.


Frühmorgens in Schwechat – allerdings nicht auf dem Weg in die Karibik

Ich saß bei dieser Fahrt erstmals als Beifahrer neben meinem Sportfreund Ferry Siller, der wie ich in den Saisonen davor auf einem Volvo 122 S B16 unterwegs gewesen war. Die gebraucht gekaufte hellgraue Lancia Flavia Berlina 1. Serie (1.488 ccm, 78 PS/5.200 U/min, 1.190 kg, Michelin X 165-15) war ein ziemlicher Kontrast zu den vertrauten Volvos: Frontantrieb, Lenkradschaltung, leise, komfortabel, große Fensterflächen, keine Sicherheitsgurte, durchgehende vordere Sitzbank in attraktivem Stoffbezug.

Ungefähr 150 Automobile gingen an den Start am Flughafen in Schwechat, das Wetter war trüb und nass, Schnee und Eis gab es nur im Alpenvorland, sodass die gewählte Taktik, alle Kontrollen anzufahren, richtig war. Die Große Goldmedaille für die höchstmögliche Gutpunkteanzahl war allerdings mit einigem Zittern verbunden, denn das für uns ungewohnte Fahrverhalten der komfortablen Flavia ließ mehrmals vor allem bergab Sorgen aufkommen. Statt Heck raus immer geradeaus, war eine neue Erfahrung – dass man auch das beherrschen kann, soll das Bild von Piero Frescobaldi von der Rallye Monte-Carlo 1962 zeigen. Das Team Frescobaldi/di Luca erreichte mit der Berlina den 9. Platz im Gesamtklassement!


Rallye Montecarlo 1962 – Abschlußprüfung auf dem GP-Kurs
(Foto aus Manganaro/Vinai, Lancia Corse, Seite 106)

E. Marquart / 3.2010

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