Rückblick auf Lancia bei der Semperit-Rallye

Rückblick auf Lancia bei der Semperit-Rallye

16 Aug, 2020

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Jetzt habe ich seit Mai 2020 schon vier Mal auf motorsportliche Bewerbe in Österreich zurückgeblickt, die bild- und datenmäßig recht gut dokumentiert sind, dies aber nur für Insider und zurückbleibende alte Rallye-Menschen. Tief vergraben in vergriffener Literatur und den Untiefen des Internet kann man mit etwas Geduld „alte“ Lancia-Geschichten finden, die ein weiteres Mal die Initiativen von Privatfahrern und teilweise auch des Reparto Corse Lancia darstellen. Ennstal-Classic und Viva Italia ist bzw. waren Gleichmäßigkeitsveranstaltungen, wo Lancias als Oldtimer an den Start gingen. Die 1000 Minuten gab es sowohl als auch – siehe Bericht vom Juli 2020.

Aber neben der Internationalen Österreichischen Alpenfahrt 1949 – 1973 gab es von 1957 bis 1973 mit der Internationalen Semperit-Rallye eine moderne Rallye, die aus verschiedenen Gründen attraktiv für Privatfahrer und in der Endphase vor der Energiekrise 1973 auch für Werks-Teams war. Während die Alpenfahrt bis 1966 auf alten, verzopften Wettbewerbsbestimmungen beharrte, war die Semperit-Rallye von Beginn an eine moderne Rallye quer durch Österreich – vom Bodensee zum Neusiedlersee – mit Industrie-Sponsoring, Einbindung der Medien und attraktiven Prüfungen vom Großglockner bis zum Rathausplatz in Wien.

Semperit-Rallye – Das Buch

Ich hatte in meinem Buch „Wir sind Rallye!“ 2008 Entstehen, Konzept, Aufstieg und Erstarrung beschrieben, will mich hier nicht wiederholen, auch wenn das Buch seit vielen Jahren vergriffen ist. Rallye-Bücher werden bei Erscheinen wohl nur von den Zeitzeugen gekauft, größere Auflagen wären auf Lager liegengeblieben, was kein Verleger gerne sieht. So „extrahiere“ hier nun für lancianews die Starts von Lancia-Fahrzeugen, weil wieder ein typisches Beispiel für Sport vor der Stratos-Periode – selbst ist der Mann und Turin ist weit!

Bis 1957 umfasste der österreichische Rallye-Kalender – offiziell Wertungssport genannt – einige eintägige Wertungsfahrten in ganz Österreich und die Alpenfahrt, die sich streckenmäßig oft in Nähe des Motorrad-Geländesports bewegte. Sie hatte mit Rallyes internationalen Formats nur entfernte Ähnlichkeit. Das Murren des Motorsport-Volks gegen die Erstarrung des ÖAMTC (= OSK) führte 1956/57 zu Gründung des Österreichischen Automobil Sportclubs = ÖASC, der in der ersten Saison gleich Nägel mit Köpfen machte: Flugplatzrennen Wien-Aspern, Semperit-Rallye, Bergrennen auf den Gaisberg und Fahrerlehrgang in Kottingbrunn = Aufbruch in die Moderne!

Der ÖASC wurde von Beginn an von seinem Gründer und Präsidenten Willi Löwinger, einem Mann mit sportlicher Vergangenheit und in leitender Funktion in der Industrie tätig, fast autokratisch geführt, doch seine Konzepte waren praxisnahe, für die Motorsportler erschwinglich und ermöglichten im Zuge der Massenmotorisierung den Aufstieg des Motorsports zum Breitensport. So auch bei Rallyes: eine 1 ½-tägige Veranstaltung über 1.600 km von Bregenz nach Wien, mit zwei kurzen Zwangsrasten, Sonderprüfungen auf attraktiven Bergen um (sponsorgestützte) öS 500,- = 36,- € Nenngeld war etwas, was sich jeder Interessierte leisten konnte. Dazu gab es auch noch als Geschenk des Sponsors Semperit vier Reifen nach Wahl!

Semperit-Rallye – 1957 Dr. Egert Aurelia B12 – Platz 2

Semperit-Rallye – 1957 P.C. Blaimschein in Forchtenstein

1957: 72 Nennungen, 65 Starter, 52 Fahrzeuge im Ziel – zwei Lancia: Dr. Egert auf Aurelia B12 und P.C. Blaimschein auf Aurelia B20 – Plätze 2 und 4 im inoffiziellen Gesamtergebnis (noch mit Handicap-Wertung).
1958: 101 Nennungen, 84 Starter, 72 Fahrzeuge im Ziel – P.C. Blaimschein mit seiner Aurelia B20 war einziger Lancia am Start und als 4. Gesamt (inoffiziell) im Ziel.

Semperit-Rallye – 1958 P.C. Blaimschein in Forchtenstein

1959: 111 Nennungen, 82 Starter, 65 Fahrzeuge im Ziel – kein Lancia am Start
1960: 117 Nennungen, 103 Starter, 69 Fahrzeuge im Ziel – kein Lancia am Start
1961: 138 Nennungen, 129 Starter, 100 Fahrzeuge im Ziel – P.C. Blaimschein mit einer Flavia in der Nennliste, aber DNS

 

 

 

 

Semperit-Rallye 1962 – P.C. Blaimschein SP Semmering

1962: 139 Nennungen, 131 Starter, 96 Fahrzeuge im Ziel – P.C. Blaimschein/M. Cerny auf Flaminia Coupé PF TO 417010, Klassensieg Tourenwagen über 2.000 ccm und Walter Radler/G. Kiesenebner auf Appia S3, Klassensieg Tourenwagen bis 1.150 ccm

Semperit-Rallye – 1962 Radler/Kiesenebner auf Appia S3 auf dem Seiberer

1963: 160 Nennungen, 150 Starter, 103 Fahrzeuge im Ziel – K. Bachinger/H. Kainrad auf Appia S2, Silbermedaille und Walter Radler/G. Kiesenebner auf Appia S3, Klassensieg Tourenwagen bis 1.150 ccm und Platz 13 gesamt.

Semperit-Rallye – 1963 Radler/Kiesenebner auf Appia S3 in Kottingbrunn

1964: 155 Nennungen, 141 Starter, 112 Fahrzeuge im Ziel – Dr. G. Mössmer/S. Mössmer auf Flavia Berlina S1 – DNF und Walter Radler/Kurt Sassarak auf Fulvia Berlina TO 606516 – DNF

 

 

 

 

Semperit-Rallye – 1965 Team Jolly Club Milano – Sandro Munari Beifahrer von A. Cavallari

1965: MITROPA-Cup. 165 Nennungen, 146 Starter, 97 Fahrzeuge im Ziel – zwei Fulvia Berlinas Filippi/Danieli und Berselli/N. – DNF. Sandro Munari war Beifahrer von Arnaldo Cavallari auf Alfa Romeo Giulietta TIS – Platz 5 gesamt (Handicapwertung)

Semperit-Rallye – 1966 Radler/Kiesenebner in Stotzing

1966: MITROPA-Cup. 173 Nennungen, 138 Starter, 61 Fahrzeuge im Ziel – drei Fulvia 1,3 Zefferini/Ermanno (DNS), A. Giradini/N. und G. Gray/N. – Ergebnis nicht bekannt, Walter Radler/G. Kiesenebner auf Fulvia 1,3 S – Klassensieg

Semperit-Rallye – 1967 Karger/Dr. Wessely SP Windische Höhe

1967: MITROPA-Cup. 144 Nennungen, 113 Starter, 67 Fahrzeuge im Ziel – drei Fulvia 1,3 HF G. Gray/M. Eisendle (25.), Dietmayer/Hahn (20.) und Karger/Dr. Wessely mit dem Wagen des Importeurs Wolfgang Denzel (11.)

Semperit-Rallye 1967 – Dietmayer/Hahn SP Hausebner Stmk.

1968: MITROPA-Cup, 133 Nennungen, 144 Starter, 76 Fahrzeuge im Ziel – zwei Fulvia 1,3 HF Dietmayer/Hahn (DNF) und Cavallari/Salvay (4. Gesamt und Klassensieg)

Semperit-Rallye – 1968 Cavallari/Salvay in Stotzing

1969: MITROPA-Cup. 105 Nennungen, 85 Starter, 37 Teilnehmer im Ziel – zwei Fulvia 1,3 HF Dietmayer/Lang (DNS) und J. Löffelmann/Breza (16. Gesamt und Klassensieg)

Semperit-Rallye – 1968 Dietmayer/Hahn SP Windische Höhe

Semperit-Rallye – 1969 J. Löffelmann/Breza

 

 

 

 

 

Semperit-Rallye – 1970 Barbasio/Mannucci auf dem Salzburgring

1970: Erstmals Lauf zur Rallye-Europameisterschaft für Fahrer, MITROPA-Cup. 124 Nennungen, 108 Starter, 54 Fahrzeuge im Ziel – zwei Fulvia 1,6 HF Barbasio/Mannucci als Einspringer für Cavallari auf TO B79057 (8. Gesamt und Klassensieg trotz Antriebsschadens kurz vor dem Ziel) und Mayer/Sulc (2. Platz Klasse), J. Löffelman/Steinmann auf 1,3 HF. [Erwähnung Barbasio bei G. Tonti]

Semperit-Rallye – 1970 Mayer/Sulz Abschlussslalom in Wien

Semperit-Rallye – 1971 Munari/Mannucci SP Klippitzthörl

1971: Lauf zur Rallye-Europameisterschaft für Fahrer, MITROPA-Cup. 120 Nennungen, 90 Starter, 36 Fahrzeuge im Ziel – Munari/Mannucci auf TO E51664 (Gesamtsieg und sechs Bestzeiten bei acht Sonderprüfungen) und Weiner/Loos auf Fulvia Berlina GT [Erwähnung Munari bei G. Tonti]

Semperit-Rallye – 1972 Ballestrieri/Bernacchini SP Haidlhof

1972: Lauf zur Rallye-Europameisterschaft für Fahrer, MITROPA-Cup. 116 Nennungen, 85 Starter, 38 Fahrzeuge im Ziel. Nach dem Sieg von Ballestrieri/Bernacchini bei der ÖASC Elan Rallye Anfangs Mai sollte Ballestrieri seinen Vorsprung auf Pinto/FIAT 124 vergrößern – drei Werks-Fulvias 1,6 HF Ballestrieri/Bernacchini auf TO D20641 (3., eine Bestzeit, neun Mal unter den ersten Fünf), Barbasio/Sodano auf TO F35201 (5.) und Pelganta/Maiga auf TO E51660 (7.) sowie Besozzi/Brusatti, Bosetti/Mischiatti, Cavallari/Lipizer, Dell’Ava/N., Wietschnig/Gabian, Hort/Mosconi, Sutter/Sutter, Leinberger/Weissmann auf 1,6 HF und Weiner/Loos auf 1,3 S [Erwähnung der Werkseinsätze bei G. Tonti]. Gesamtsieg von Pinto/Macaluso auf FIAT 124.

 

Semperit-Rallye – 1972 Sergio Barbasio Abschlussslalom in Wien

Semperit-Rallye – 1972 Pelganta/Maiga SP Haidlhof

1973: Lauf zur Rallye-Europameisterschaft für Fahrer, MITROPA-Cup. 135 Nennungen, 120 Starter, 74 Fahrzeuge im Ziel – Lancia hatte Munari/Mannucci für die Europameisterschaft 1973 geplant, so wurden drei Fulvia 1,6 HF genannt, doch eine schwere Lungenerkrankung Munaris machte seinen Start unmöglich, nur Pregliasco/Sodano starteten mit TO H23323, schieden aber nach der ersten SP im Montafon (Platz 3) aus. In der Nennliste standen vier private 1,6 HF: Bosetti/Mischiatti, Rombolotti/Biancai, Perazio/Rossi, Dall’Ava/Sergio Maiga und Ambroghetti/N. (13. Gesamt), die bei zwei Sonderprüfungen unter die ersten Zehn kamen.

Semperit-Rallye – 1973 Pregliasco/Sodano SP Silvretta

Semperit-Rallye – 1973 Dall’Ava SP Haidlhof

Sie sehen an der Zahl der Nennungen/Starter, dass sich die Rallye großer Beliebtheit europaweit erfreute, erst ab 1971 kamen die Werke mit großem Einsatz nach Österreich. Mit der Energiekrise 1973 verschwand die Semperit-Rallye vom Sportkalender, weil Semperit die Unterstützung zurückzog.

Mehr Rückblicke auf die versunkene österreichische Rallyegeschichte gibt es nicht, die Österreichische Alpenfahrt habe ich bereits 2015 in zwei Büchern sowie Beiträgen in lancianews dokumentiert

 https://www.lancianews.com/site/lancia/internationale-oesterreichische-alpenfahrt-ii/

 https://www.lancianews.com/site/lancia/internationale-oesterreichische-alpenfahrt-iii/ ,

weitere Rallyes, an welchen Lancias erwähnenswert teilgenommen haben, gibt es nach meiner persönlichen Meinung leider nicht. Worauf sollte ich jetzt noch zurückblicken?

Lancianews hat folgende Berichte gebracht, in welchen die Internationale Semperit-Rallye erwähnt wird:

https://www.lancianews.com/site/archiv/2019/die-jungen-wilden/
https://www.lancianews.com/site/archiv/2018/walter-radler-1939-2018/
https://www.lancianews.com/site/archiv/2017/no-sports/
https://www.lancianews.com/site/archiv/2016/arnaldo-cavallari-1932-2016/
https://www.lancianews.com/site/archiv/2016/dienstfahrzeuge/
https://www.lancianews.com/site/lancia/primadonnen-das-gianni-tonti-buch/
https://www.lancianews.com/site/lancia/lancia-appia-bilderbogen/
https://www.lancianews.com/site/lancia/lancia-aurelia-b20-bilderbogen-p-c-blaimschein/
https://www.lancianews.com/site/lancia/fast-heimspiele-in-oesterreich-oesterreich-rallyes/
https://www.lancianews.com/site/lancia/lancia-bei-rallyes-in-den-1960er-und-1970er-jahren/
https://www.lancianews.com/site/news/mario-mannucci-1932-2011/
https://www.lancianews.com/site/drivers-journal/hut-ab-vor-dieser-fulvia/
https://www.lancianews.com/site/lancia/schatztruhe-technisches-museum-wien-rallyesport/

 

E. Marquart / 8.2020

Semperit-Rallye 1963 – Wintersport auf der Turrach

Die Fotos sind großteils aus dem Technischen Museum Wien, von Josef Mayrhofer und Thomas Popper.

Nachsatz: Warum ist dieser Rückblick in die Rubrik „Drivers Journal“ eingereiht? Weil Ihr Berichterstatter zwischen 1963 und 1969 sechs Mal bei dieser Rallye gestartet war. Als Fahrer und Beifahrer auf Volvo 122S und Matra Djet. Die Ergebnisse will ich nicht im Detail aufzählen, es war aber jedes Mal interessant und für Privatfahrer eine Herausforderung – wie es sein soll. Die Zielankünfte auf dem Rathausplatz in Wien vor Publikum bleiben in Erinnerung.

2 Kommentare

  1. Braghieri Gianfe /

    Another interesting article, concise but full of images.
    Luckily I own Wir sind Rallye.
    Dear Ernst, we need another book like this which deals with other rallyes.

    • Ernst Marquart /

      Good morning Gianfelice,

      thank you for your message, but … For me all is written, no more really News from outside Italy. Only from Italy may come new hidden information like Ronco’s „Carriere Spezzate“ or Lele Pinto’s book.
      lancianews is sleeping only articles for none Readers! 🙁
      Ernsr

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